Architektur

Blick auf Gebäude G im Abendlicht
Christian Flierl

In diesem Text gibt Dorothee Huber eine kurzen Überblick zu den architektonischen Themen und beschreibt prägnant, was diese Schulanlage so bedeutend macht.

  1. Wir sind eine Ikone der modernen Architektur

    Die Anlage der Allgemeinen Gewerbeschule im Basler Rosentalquartier nimmt unter den Schulhausbauten der Nachkriegszeit einen besonderen Rang ein. 1960 entstanden, vermag das Werk des Architekten Hermann Baur (1894–1980) bis heute die angehenden Berufsleute, Gestalterinnen und Künstler zu begeistern und auch Gäste der «Architekturstadt Basel» anzuziehen. 2008–2010 erneuerte die Stadt Basel die Schulgebäude, die nun wieder im neuen alten Glanz erscheinen.

    Zwischen dem Badischen Bahnhof, dem Pharmakonzern Roche und der Messe in einem Wohnquartier gelegen, ist die Schule mit den Werkstattflügeln (Trakte A, B, C, D) zur viel befahrenen Riehenstrasse und mit dem viergeschossigen Trakt der Allgemeinen Gewerbeschule (Trakt E), dem siebengeschossigen Trakt der Schule für Gestaltung (Trakt G) und einem grossen Eingangshof auf die ruhige Vogelsangstrasse ausgerichtet. Zwischen den mittelhohen Trakt (Trakt E) und die hohe Scheibe (Trakt G) ist der Kubus der Aula eingespannt, die den Weg durch das Areal zum einstigen Landgut Sandgrube (nach 1745 erbaut von Johann Jacob Fechter) überdeckt. Einen kräftigen plastischen Auftakt macht die Maurerhalle (Trakt F), die den Hof in der südöstlichen Ecke besetzt und den Weg in das Schulareal mit dem eindrücklichen Faltwerk der geschlossenen Schmalseite flankiert. Wo heute die Schülerinnen und Schüler essen, mauerten früher die Maurerlehrlinge ihre Werkstücke.

    1936 nahm die Stadt die Planung eines neuen Schulhauses für den wachsenden Nachwuchs in der ausgebauten Berufsbildung und den gestalterischen Berufen auf. Den 1938 ausgeschriebenen Wettbewerb gewannen die beiden Basler Architekturbüros Bräuning Leu Dürig und Hermann Baur. Durch den Zweiten Weltkrieg und die damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten verzögert, konnte die Schule schliesslich 1961 ihren Betrieb aufnehmen. Seither haben viele Tausend Schülerinnen und Schüler hier die prägende Phase ihrer beruflichen und gestalterischen Ausbildung erlebt.

    In die Ausführung der Schulanlage teilten sich – nach der mehrfachen Überarbeitung der Projekte –  die Architekten Franz Bräuning und Arthur Dürig für die Werkstätten und Hermann Baur, unterstützt durch seinen Sohn Hans Peter Baur, für Klassenzimmer, Ateliers, Aula, Mensa, Maurerhalle, Bibliothek und Büros. Während die Werkstätten den praktischen Anforderungen des Lehrbetriebs mit einer funktionalen und robusten Architektur genügen, verwandte Hermann Baur grosse Anstrengungen auf die baukünstlerische Durchbildung seiner Schulbauten, die künftig die einladende Schaufront der Schule bilden sollten.

    Hermann Baur (1894–1980) hatte eine baupraktische Ausbildung in Basel genossen und nach dem Ersten Weltkrieg in den elsässischen Wiederaufbaugebieten erste Verantwortung als Architekt übernommen. Mit dem Bau der Pavillonschule auf dem Bruderholz (1935–1939) erlangte er internationales Ansehen als Neuerer im Schulhausbau. Ein zweiter wichtiger Schwerpunkt seiner Arbeit wurde alsbald der Kirchenbau; auch hier zählt er als Vertreter des Neuen Bauens zu den Pionieren bei der Entwicklung von neuen Ansätzen im katholischen Sakralbau. Auch als Stadtplaner machte sich Baur einen Namen. Der Bebauungsplan für das Gellert-Areal (1952) im Basler Südosten gilt als ein Schulbeispiel des modernen Nachkriegsstädtebaus. Alle seine Werke gestaltete Baur in enger Zusammenarbeit mit ihm verbundenen Künstlern.

    Die Anlage der Schulbauten an der Vogelsangstrasse zieht architektonischen Gewinn aus der Vielfalt von Anforderungen, die die Schule an ihr neues Domizil stellte. Hier, auf der Rückseite gewissermassen, die Trakte mit den Werkstätten für den berufspraktischen Unterricht, davor, mit einem weit auskragenden Vordach vor dem Haupteingang der Schultrakt mit den Theorieräumen und den Büros der Verwaltung für beide Schulen und – als Vermittlung zum hoch aufragenden schlanken Baukörper der ehemaligen Kunstgewerbeschule – die auch öffentlichen Anlässen zugängliche Aula. Zu einer Schule zusammengefasst werden die einzelnen Häuser durch die Wege, die aussen anschaulich alle Abteilungen durch das Areal hindurch verbinden und innen als durchgehende Mittelkorridore (Trakte A, B, C, D und E)  und als innerer Laubengang (Trakt G) die einzelnen Räume erschliessen. 

    In der Interpretation von Hermann Baur erhält jeder Bau in der Ausgestaltung der Fassaden ein eigenes Gesicht. In der aufsteigenden Rangfolge von den Werkstätten bis zur Schule für Gestaltung nehmen die Aula und die hohe Scheibe der ehemaligen Kunstgewerbeschule eine Sonderstellung ein. Während die Fassade des auf Stützen aufruhenden vergleichsweise kleinen Kubus der Aula mit den in der Sturzzone aufgesetzten quadratischen Platten einen kräftigen plastischen Akzent erhält, erscheint die durchgehende Bänderung der hohen Scheibe als feines Relief. Die schwarz gestrichenen Fenster und das helle Grau des glatten Betons erzeugen in der Ansicht eine grafische Wirkung, die sich in den Schwarz-Weiss-Aufnahmen der ersten Stunde besonders eindrücklich vermittelt. Der Versatz in den Brüstungsbändern bezeichnet die Ausweitung der Gangzone beim Treppenhaus. Von der Begeisterung für die dank neuartiger Konstruktionsweisen mögliche Nutzung der Dachterrasse kündet – angeregt durch das Beispiel Le Corbusiers – der asymmetrisch nach zwei Seiten ansteigende Zeichensaal.

    Mit den in einem Areal zusammengefassten Schulbauten der Allgemeinen Gewerbeschule und der Schule für Gestaltung gelang dem Architekten Hermann Baur in reifen Jahren zusammen mit den beteiligten Künstlern ein weit ausstrahlendes baukünstlerisches Meisterwerk. Davon berichten nicht nur begeisterte Abgängerinnen und Abgänger der Schule, davon zeugt auch die anhaltende, als klassisch zu bezeichnende Modernität der Schulbauten und der hier vereinten Kunstwerke.

    Dorothee Huber